+++ [UPDATE] Mysteriöse Hunde-Krankheit in Norwegen +++
von
Tierarzt Sebastian Goßmann-Jonigkeit, Engelskirchen


Nach aktuellem Stand können folgende Erkrankungen bzw. Erreger ausgeschlossen werden: Salmonellen, Campylobacter, Rattengift o.ä., Parvovirose, Parasiten (Giardien u. Cryptosporidien), canine Circoviren, Coronaviren, Hefen- und Schimmelpilze.
Da in manchen Mehrhunde-Haushalten meist nur ein Individuum erkrankte, geht man von einer nicht sehr hohen Ansteckungsgefahr aus.
Stand 19.09.19
Seit dem 01. August 2019 wurden 173 Fälle mit blutigen Durchfällen bei Hunden aus ganz Norwegen von Tierärzten bei Mattilysinet (norwegische Behörde für Lebensmittelsicherheit) mittels Fragebogen gemeldet.
Da es sich bei blutigem Durchfall um ein eher unspezifisches Symptom handelt kann man nach derzeitigem Stand (noch) nicht sagen wieviele dieser Erkrankung tatsächlich in Verbindung stehen.
Das Veterinärinstitut hat bislang 15 Hunde (nach Tod mit entsprechender Symptomatik) obduziert:
Alle wiesen blutige Darmentzündungen auf und bei zwölf von ihnen konnte bis jetzt Providencia alcalifaciens nachgewiesen werden.
Providencia alcalifaciens kann auch bei gesunden Hunden vorkommen und muss daher nicht zur Erkrankung mit entsprechender Symptomatik führen.
Vor 13 Jahren gab es übrigens schon mal ein ähnlich gehäuftes Auftreten von blutigen Durchfällen bei Hunden in Norwegen - auch damals überlebte der absolute Großteil, wohingegen einzelne Tiere starben.
Das gefundene Bakterium Providencia alcalifaciens war auch bei zu der Zeit erkrankten Tieren nachweisbar.
Eine Bachelorarbeit, die sich mit diesem Bakterium befasst, kam schlussendlich zu dem Fazit, dass Providencia alcalifaciens die Ursache der damaligen Erkrankung war.
Ob es sich auf die aktuellen Fälle übertragen lässt, bleibt abzuwarten, aber nach derzeitigem Stand spricht Einiges dafür.
Aktuell scheinen die Fallzahlen rückläufig, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass mangelnde oder verspätete Meldungen diese Einschätzung beeinflussen könnten.
Insgesamt sind bisher 43 Hunde mit gleichem Krankheitsbild verstorben und ca. 90 Hunderassen sind erkrankt (gewesen).
Mattylsinet rät Hundehaltern in Norwegen dazu ihre Tiere weiterhin an der Leine zu halten und den Kontakt zu Artgenossen zu vermeiden.
Desweiteren sollten Kotbeutel (ugs. Kacktüten) benutzt werden um eine mögliche Ausbreitung möglichst zu verhindern.
Ob Umweltfaktoren wie bspw. tagelanger Niederschlag bei relativ hohen Temperaturen den Ausbruch bzw. die Ausbreitung der Erkrankung begünstigt hat, wird derzeit überprüft.
Was man (verunsicherten) Hundehaltern in Deutschland raten soll, auch bezüglich der Reise mit Hund Richtung Skandinavien, weiß ich persönlich nicht.
Fakt ist jedoch, dass der vermeintliche Fall in Bad Oldesloe eine klassische Ente war, aber anscheinend immer noch interessanter scheint als die Klarstellung.
Somit gibt es (bisher) nicht einen einzigen Fall auf deutschem Grund.
Persönliche Ergänzung: Was mich als Tierarzt interessieren würde ist die Resistenzlage - sprich welches Antibiotikum bei den bisher nachgewiesenen Fällen geholfen hat. Eine Multiresistenz (Wiederstandsfähigkeit des Bakteriums gegen viele Antiobiotika) ist durchaus möglich... da aber der absolute Großteil der erkrankten Tiere überlebt hat, scheint ja etwas geholfen zu haben... sofern es überhaupt der gleiche Keim war... was abzuwarten bleibt.
Meine Quelle ist Bioingeneurin Britta Hinderlich, die ehemals im Veterniærhøyskolen NMBU ( Labor der Smådyrklinikken / Kleintierklinik ) und für das Veterinærinstituttet (Pathologie Oslo und Tromsø) und derzeit am OUS Universitätsklinikum Oslo im Bereich Pharmakolgie/Drogenscreening/Immunologie/Chromatographie arbeitet. Sie übersetzt die aktuellen Meldungen aus dem norwegischen Original ins Deutsche und stellt sie Interessierten wie der Tierklinik Bielefeld sowie dem VDSV oder auch mir kostenfrei zur Verbreitung zur Verfügung.